Bedeutende Naturwissenschaftlerinnen

Frühzeit


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Frühzeit

Der Versuch, die beobachteten natürlichen Phänomene zu erklären und zu interpretieren und sich 'Welt-Bilder' zu machen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Unser Wissen um diese frühen Entwicklungen basiert auf archäologischen Funden, deren Bedeutung der Interpretation bedarf.

Der Homo sapiens, der 'wissende', vernunftbegabte Mensch, erschien in der Entwicklung der menschlichen Gattung vor etwa 200.000 Jahren. Diese Menschen verwendeten bereits symbolische Darstellungen, mit denen sie komplexe Zusammenhänge ausdrückten und die ihre Fähigkeit zur Abstraktion zeigen. So lassen sich beispielsweise die altsteinzeitlichen Darstellungen von Linienkreuzen und Netzmustern in den Höhlen der Ile de France als Kenntnisse kosmischer Zyklen und Räume interpretieren. Vor ungefähr 40.000 Jahren tauchten die ersten figürlichen Darstellungen auf. Sie zeigen hauptsächlich Frauen mit runden Körperformen. Diese stellen die Große Mutter dar, die nicht nur Fruchtbarkeitsgöttin, sondern auch Symbol des ewigen Kreislaufs von Geburt und Wiedergeburt war.

Die frühen Gesellschaften waren in den unterschiedlichsten Ausprägungen egalitär und matriarchal geprägt. Die Ernährung wurde durch das Sammeln von Pflanzen und in geringem Umfang durch das jagen sichergestellt. Für das Sammeln waren in erster Linie die Frauen zuständig. Mit ihrem Erfahrungswissen über eßbare und ungenießbare, heilkräftige und giftige Pflanzen schufen sie die Anfänge der Botanik und der Heilkunde. Physikalische Gesetze wurden bei der Herstellung und dem Gebrauch von Werkzeug angewandt, z.B. beim Sammeln mit dem Grabstock das Hebelprinzip. Durch das Nutzbarmachen des Feuers konnte die Nahrung durch Kochen chemisch verändert und damit leichter verdaulich gemacht werden.

In der Vorstellungswelt dieser Menschen war alles lebendig, beseelt und mit eigenen Kräften ausgestattet. Sie entwickelten 'Techniken' ' um sich mit diesen Kräften in Verbindung zu setzen und so auch das eigene Überleben zu sichern. Heute nennen wir eine solche Sichtweise magisch.

Im Übergang von der Alt- zur Jungsteinzeit ab dem 9. Jahrtausend v.u.Z. veränderte sich das Leben der Menschen grundlegend. Frauen entwickelten durch die Auswahl und Zucht von bestimmten Wildpflanzen den Ackerbau und durch die Aufzucht von Jungtieren die Haustierhaltung. Mit den neuen Produktionsformen und Möglichkeiten der Vorratshaltung wurden Sippen und Stämme in fruchtbaren Gebieten seßhaft. Verbunden damit konnten auch neue Vorstellungen von Ursache und Wirkung in der Natur entwickelt werden. Auch hier entstanden die Fortschritte im Einsatz von 'wissenschaftlichen' Erkenntnissen und praktischer Technologie vor allem in der Arbeit der Frauen. Zum Beispiel liegen die Anfänge des Wissens über chemische Prozesse in der Nutzung der Gärung beim Brotbacken und Bierbrauen und in der Herstellung kosmetischer Mittel. Mineralogisch-chemische Kenntnisse wurden in der Töpferei durch das Glasieren und Brennen von Keramik erworben. Die Herstellung von Textilien basierte auf der Technik des Spinnens von Fäden und der Webkunst als Weiterentwicklung des Flechtens. Mineralische, tierische und pflanzliche Stoffe wurden zum Färben benutzt.

In den Anfängen der jungsteinzeitlichen Stadtkulturen in Mesopotamien, Ägypten, Palästina und Kreta lagen religiöse und weltliche Aufgaben noch vereint in den Händen von Priesterinnen als Vertreterinnen der Großen Göttin. Diese wird unter verschiedenen Namen als Schöpferin und Herrscherin verehrt. Für die Verwaltung dieser größeren Gemeinschaften schufen sie die ersten Schriftsysteme. Die Produktivität war so hoch, daß einzelne für die systematische Beobachtung natürlicher Phänomene freigestellt werden konnten. Architektur, Wasserbau, Astronomie und Mathematik waren Gebiete, auf denen in relativ kurzer Zeit erhebliches theoretisches und praktisches Wissen entwickelt wurde.

 

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Julia Häusler; haeusler[at]muenster[dot]de; fit/bedeut/fruehz.htm_09.06.04