Bedeutende Naturwissenschaftlerinnen

Antike


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Antike

Für das allmähliche Auftauchen patriarchaler Herrschaftselemente in den bekannten frauenzentrierten Kulturen werden verschiedene Erklärungsansätze diskutiert.

In Griechenland wurde diese Entwicklung unterstützt durch den Einfall patriarchal strukturierter, indo- europäischer Hirten- und Reitervölker aus dem Norden. Sie eroberten und kolonialisierten in mehreren Wanderungswellen um 2000 bis 1800 v.u.Z. die. dort ansässigen, matrizentrierten PflanzerInnen-Kulturen. Die griechische Antike markierte einen ersten Höhepunkt in der Entwicklung patriarchaler Gesellschaften.

Die Spuren dieses Prozesses können wir in den sich verändernden Mythen und Sagen finden. Eine der vielen Göttinnen, die in Kultur und Kult der Eroberer integriert wurden, ist die Göttin Athene. Ursprünglich war sie eine Vegetationsgöttin - Ölbaum, Eule und Schlange sind ihr zugeordnet - und auch die Göttin des Spinnens und Webens.

Im neuen Mythos verschlang der Einwanderergott Zeus seine erste Frau Metis, die von ihm schwangere Göttin der Klugheit. Nachdem Hephaistos, der Gott der Schmiede, den Kopf des Zeus gespalten hatte,. entsprang die Tochter Athene in voller Rüstung dem Haupt ihres Vaters.

Nun verkörperte sie ein neues Göttinnenideal - jungfräulich, kämpferisch und intelligent -, ohne ihre Mutter zu kennen.

Im Olymp, dem griechischen Götterhimmel wurde sie die Göttin des Krieges und des Friedens, der Weisheit, des Verstandes und der Künste.

Eine vollkommene Verdrängung der ehemals mächtigen Göttinnen erfolgte erst im Judentum und im Christentum, in dem mit der jungfräulichen Mutter Maria nur ein schwacher Abglanz der alten Muttergöttin erhalten blieb.

Die Künste, für die Athene stand, umfassten nicht nur die 'schönen Künste', sondern auch Kunstfertigkeit, Handwerk und Wissenschaft.

Diese waren zusammengefasst im griechischen Begriff 'techne', aus dem das heutige Wort Technik abgeleitet ist. Ebenfalls dieser Wurzel entstammen unsere heutigen Wörter Textil und Text, vermittelt über die lateinischen Begriffe 'texo' (flechten, weben, bauen, zimmern, kunstvoll zusammenfügen) und 'textum' (Gewebe, Geflecht).

Der Prozess der zunehmenden Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen Leben verlief in den politischen Zentren wie den Stadtstaaten Athen und Sparta und den griechischen Kolonien zeitlich und örtlich sehr unterschiedlich. Frauen waren rechtlich unter die Vorherrschaft ihrer Väter und Männer gestellt. Lediglich Hetären, gebildete 'Prostituierte', die meist freie Fremde mit relativer Eigenständigkeit 'waren, nahmen Einfluss auf Politik, Philosophie, Kultur und Kunst. Eine der berühmtesten Hetären war die politisch einflussreiche Aspasia aus Milet (460-401 v.u.Z.), eine Lehrerin des Philosophen Sokrates in Sophistik und Rhetorik.

Trotz der patriarchalen Ausrichtung der griechischen Kultur waren Frauen an der Entwicklung von Bildung und Wissenschaften beteiligt. Die berühmte Dichterin Sappho (geb. 615 v.u.Z.) gründete ungefähr 590 v.u.Z. auf Lesbos eine Schule für Mädchen. Unter den Pythagoräern, einem mystisch-politischen Bund in Süditalien, gab es um 500 v.u.Z. zahlreiche wissenschaftlich tätige Frauen. Die bekannteste war Theano, vermutlich die Ehefrau und Nachfolgerin von Pythagoras.

Im antiken Griechenland wurden Denkformen entwickelt, die grundlegend für das westliche Denken wurden. Die Wissenschaften hatten ihren Ort in der Philosophie (übersetzt: Liebe zur Weisheit, zu den Wissenschaften, Streben nach Bildung, Lebensweisheit und Weltweisheit). Sie schloss die Naturphilosophie als Form der Naturwissenschaft mit ein.

Sokrates (470-399 v.u.Z.) entwickelte die Methode des mäeutischen Dialogs, in dem durch ständiges Hinterfragen vermeintliches Wissen zerstört und zum 'Wissen des Nichtwissens' hingeführt werden soll. Wesentlich ist seine Hinwendung von der allgemeinen Kosmologie zur persönlichen Ethik und Selbstverantwortung des Einzelnen.

Der Philosoph Platon (428-348 v.u.Z.), sein Schüler, gründete eine Akademie, an der sowohl Männer wie auch meist ausländische Frauen studierten. Nach seiner Erkenntnistheorie kommt alles Wissen über die Natur nicht über wohlbegründetes Vermuten hinaus. In seinem berühmten 'Höhlengleichnis' formuliert er, dass wir das Wesen der Dinge nicht wirklich erkennen können, sondern nur ihren Schatten.

Sein Schüler, der Philosoph Aristoteles (384-322 v.u.Z.), schuf eine Tugendlehre, begründete die abendländische Logik und gab der Naturwissenschaftsentwicklung wesentliche Impulse. Er ging davon aus, dass die Möglichkeit einer Erkenntnis durch Begriffe besteht. Seine zentralen Kategorien sind Stoff und Form. Aus der Variation von Stoff und Form entstehen die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde mit bestimmten Eigenschaften, die wiederum in ihren verschiedenen Mischungsverhältnissen alle irdische Materie bilden. Diese Lehre sowie die Annahme, dass Materie von einer Form in die andere verwandelt werden könne, wurde von den späteren AlchimistInnen übernommen und prägte so für lange Zeit die Entwicklung der Chemie.

Auch die beiden Geschlechter werden im Rahmen dieser Struktur interpretiert. Nur Männer hätten genügend Hitze und damit Geist. Frauen hingegen seien kältere und schwächere Wesen, unvollendet mit einem kleineren, verkümmerten Hirn ähnlich den Kindern. Menstruationsblut sei nicht gargekochter Samen und liefere nur den Stoff bei der Zeugung, wohingegen das Sperma Träger der Form und des Geistes sei.

Hier spiegelt sich auf wissenschaftlicher Ebene der kulturelle Umbruch von der Vorstellung der lebensspendenden und lebensschaffenden Großen Göttin zum Konzept des Mannes als Schöpfer, während das Weibliche zum passiven, leidenden Stoff degradiert wird, der die männliche Form aufzunehmen hat. Diese Philosophie der Überlegenheit des 'männlichen' über das 'weibliche' Prinzip wurde prägend für die nächsten Jahrhunderte und hat sich bis in die Neuzeit erhalten.

In der Medizin schuf der Arzt Hippokrates (460-377 v.u.Z.) die Lehre von den vier Körpersäften, deren Gleichgewicht für die Gesundheit wesentlich ist, und den vier Temperamenten. Sie wurde von dem griechisch-römischen Arzt Galen (129-199 n.u.Z.) weiterentwickelt und bildete eine Grundlage der Medizin bis ins Mittelalter hinein.

Während die heilkundliche Versorgung der breiten Bevölkerung in den Händen von sog. weisen Frauen und Hebammen lag, entwickelte sich erst allmählich der ärztliche Beruf. Er wurde zu einer Domäne der Männer, aus der Frauen immer wieder ausgegrenzt wurden. Eine Ärztin, die sich erfolgreich den Zugang erkämpfte, war Agnodike, die als Mann verkleidet um 300 v.u.Z. in Alexandria Medizin studierte und in Athen als Arzt/Ärztin praktizierte. Im römischen Imperium hingegen praktizierten jahrhundertelang zahlreiche, namentlich bekannte Ärztinnen, die gesellschaftlich anerkannt waren.

Hellenistische Kultur und Wissenschaft empfingen neue Impulse und wurden weit verbreitet mit den Eroberungen Alexanders des Großen (356-323 v.u.Z.), der von Aristoteles unterrichtet worden war. Er gründete in Ägypten die Stadt Alexandria, die Athen als Zentrum der Wissenschaften ablöste. Das dortige 'Museion' (übersetzt: Sitz der Musen, der Göttinnen der verschiedenen Künste und Wissenschaften) wurde zur bedeutendsten Lehrstätte des Altertums in unserem Kulturkreis. Um 300 v.u.Z. lehrte in Alexandria der Mathematiker Euklid, dessen 'Elemente' eines der grundlegenden Werke für die abendländische Wissenschaft wurde. 400 Jahre später wirkte am 'Museion' der Geograph, Mathematiker und Astronom Claudius Ptolemäus (85-160 n.u.Z.), in dessen Weltbild im Mittelpunkt des Kosmos die Erde steht, die von den Planeten umkreist wird, zu denen auch Sonne und Mond zählten.

Griechenland und Ägypten gerieten im 2. bzw. 1. Jahrhundert v.u.Z. unter die Herrschaft Roms, doch Kultur und Wissenschaft blieben hellenistisch geprägt; Alexandria konnte sich als kulturelles Zentrum behaupten. Die Alchimie erlebte hier eine Blütezeit. Bedeutende Alchimistinnen wie beispielsweise Maria die Jüdin (l. Jh.) wirkten hier. Die bekannteste Philosophin war die Neoplatonikerin und Mathematikerin Hypatia (ca. 370-415 n.u.Z.), die von fanatisierten Christen umgebracht wurde.

Während das frühe Christentum Frauen noch relativ große Entfaltungsmöglichkeiten geboten hatte, wurde durch den Einfluss neoplatonischer Philosophie und durch den allmählichen Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion frauenfeindliches Gedankengut dominierend.

Mit dem allmählichen Zusammenbruch des Römischen Weltreiches aufgrund innerer Probleme und der Einfälle von Hunnen und germanischen Stämmen ging ein Niedergang der Wissenschaften einher. Alexandria und das 'Museion' wurden 640 n.u.Z. durch eine arabische Invasion zerstört. Das griechisch- alexandrinische Wissen wurde allerdings von den Eroberern übernommen, die dann über Jahrhunderte in Astronomie, Medizin und Alchimie führend waren.

© 1999 by jh-site Julia Häusler; haeusler[at]muenster[dot]de; fit/bedeut/antike.htm;_09.06.04